24. Dezember 2001

TIBET INFORMATION NETWORK

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Erneute Zunahme von Deportationen von Tibetern aus Nepal

Berichten aus der Region zufolge nahm die Deportation tibetischer Flüchtlinge aus Nepal in letzter Zeit merklich zu. Diese Deportationen sind dem Völkerrecht zufolge verfahrenstechnisch illegal und verstoßen gegen eine Verpflichtung der nepalesischen Regierung, ab Januar 1990 Asylsuchende dem Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen in Kathmandu zu übergeben. Die nepalesische Polizei erklärt hierzu, die Deportierten hätten ja gar nicht um Asyl nachgesucht und seien daher illegale Reisende ohne Dokumente.

Zuverlässige TIN zugegangene Berichte besagen, daß mindestens 15 Tibeter seit dem 25. November von der nepalesischen Polizei den Grenzschützern auf der chinesischen Seite ausgehändigt wurden, darunter auch einige Kinder, die von ihren Eltern mit einem Wegführer auf die Reise ins Exil geschickt worden waren. Bei diesen Fällen handelt es sich nur um solche, wo Augenzeugen die Information weitergeben konnten. Die tatsächliche Zahl der Deportierten liegt wahrscheinlich viel höher. In einem Fall wurde Ende November ein 9-jähriger Bub zurückgeführt, den nepalesische Polizisten auf der Ladefläche eines LKWs versteckt gefunden hatten. Einer Quelle zufolge sei er kurz nach Verlassen der Grenzregion bei einer Fahrzeuginspektion entdeckt worden, als die nepalesischen Polizisten ihn weinen hörten. Bei einem zweiten etwa 10 Tage zurückliegenden Vorfall wurden etwa 30 km südlich der Grenze in der Nähe von Barabisa ein Tibeter und zwei Kinder festgenommen und zu dem nepalesischen Grenzort Tatopani gebracht. Als zwei Tage später ein Vertreter des Tibetischen Flüchtlingszentrums in Kathmandu in Tatopani eintraf, waren die drei Tibeter schon über die Grenze zurückgeschickt worden. Die Ortspolizei soll erklärt haben, sie hätte keine Anweisung gehabt, was mit den Tibetern zu tun sei und hätte außerdem keinen Platz, um Leute so lange unterzubringen. Einer Quelle zufolge sollen die Grenzwachen auf der tibetischen Seite den nepalesischen Beamten ein hohes Kopfgeld für die Aushändigung der Tibeter gezahlt haben.

Letzte Woche wurden zwei Tibeter und ihre Wegführer in einem Bus in der Nähe von Barabisa von der nepalesischen Polizei aufgegriffen. Wo sie sich derzeit befinden, ist nicht bekannt, sie könnten jedoch nach Tibet deportiert worden sein. TIN erhielt auch zuverlässige Berichte, daß in den letzten Monaten sowohl in Tibet als auch in Nepal mehrere Wegführer, die Tibeter über die Grenze geleiten, festgenommen wurden.

Roland Weil, der Schutzbeauftragte des UN Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), berichtete TIN: "Es ist mit der nepalesischen Regierung vereinbart worden, daß sie Tibetern gestattet, Nepal zu durchqueren und dann in ein drittes Land weiterzureisen, in diesem Falle Indien. Diese Vereinbarung trat nach dem 31. Dezember 1989 in Kraft, als die nepalesische Regierung aufhörte, aus Tibet kommenden Tibetern Flüchtlingsstatus zu gewähren. Was das UNHCR betrifft, so gilt, daß jede Asyl suchende Person ein Recht darauf hat, daß ihr Asylantrag geprüft wird. Für die in Nepal ankommenden tibetischen Flüchtlinge bedeutet dies praktisch, daß sie das Recht haben, durch Nepal nach Indien weiterzuziehen. Wir sind schon seit einiger Zeit beunruhigt über die Tatsache, daß Flüchtlinge von dem Grenzposten Kodari (114 km per Straße von Kathmandu über Barabisa und Tatopani) aus zurückgeschickt werden." Roland Weil fügte hinzu, es gebe aber immer noch eine Reihe von Tibetern mit chinesischen Pässen, die ungehindert durch Nepal reisen können.

Wenn immer dem UNHCR zur Kenntnis gelangt, daß Tibeter von Polizeiposten in Grenzregionen festgehalten werden, versucht es, mit der jeweiligen lokalen Polizei in Kontakt zu treten. Roland Weil erklärte: "Unsere Arbeit ist, die Polizei über das Abkommen zu informieren, das wir mit der nepalesischen Regierung haben, nämlich diese Tibeter als Transitreisende durch Nepal durchziehen zu lassen, weshalb wir sie bitten, diese nach Kathmandu weiterzuschicken. Wir fragen, ob diesem Vorgehen irgendein Hindernis im Weg stehe und ob wir helfen können, es zu beseitigen. Oftmals wissen sie beispielsweise nicht, daß das UNHCR für die Ausgaben der lokalen Polizisten und der Tibeter, welche sie nach Kathmandu begleiten, aufkommt. In manchen Gegenden sind die Beamten vielleicht wegen eventueller Risiken durch die Aktivitäten der nepalesischen maoistischen Guerillas unwillig, ihre Leute als Begleitpersonal für Tibeter nach Kathmandu zu schicken, denn Polizisten waren ja bisher in erster Linie Opfer der Gewalt der Maoisten in ländlichen Gegenden. In diesem Fall kann das UNHCR selbst Personal schicken, um die Tibeter zu begleiten. Wir setzen uns auch mit dem Chef der Immigrationsbehörde in Kathmandu in Verbindung und bitten um seine Intervention. Unser Hauptproblem ist, zu den Polizeistationen durchzukommen, weil die Telefonleitungen oft unterbrochen sind. Wenn wir endlich einen Kontakt zustande bringen, ist es oft zu spät, und die betreffenden Tibeter sind bereits deportiert worden". Auf die Frage, wie das UNHCR vorgehe, wenn keine telefonische Verbindung möglich ist, antwortete Roland Weil, als Alternative könne dann ein Vertreter im Auto in Gegenden geschickt werden, die von Kathmandu aus leicht per Straße zu erreichen sind, aber dafür müsse zuerst die Erlaubnis der Regierung und einer übergeordneten Stelle des UNHCR eingeholt werden. Er fügte hinzu, das UNHCR habe zumindest einmal einen Helikopter eingesetzt, um eine Gruppe von Tibetern, die an einem entlegenen Grenzort gestrandet war, auszufliegen. In den letzten Fällen von Deportation wurde jedoch kein Fahrzeug von der UNHCR geschickt, obwohl die Telefonleitungen zu den Grenzregionen nicht funktionierten.

Als die Vertretung des UNHCR in Kathmandu informiert wurde, daß seit dem 20. Dezember zwei junge Tibeter in einer Polizeistation in Barabisa festsitzen, schickte das UNHCR ein Schreiben an den Chef der Immigrationsbehörde und ersuchte seine Intervention, um eine Deportation der Tibeter zu verhindern. Das UNHCR fragte seitdem einige Male bei dem Immigrationsdirektor nach, und bat um eine Untersuchung, was mit den Tibetern geschehen sei, aber bis dato (24. Dezember) erhielt es keine weitere Auskunft. Wenn Flüchtlinge in dieser Gegend deportiert werden, so meistens gleich am nächsten Tag nach ihrer Festnahme.

Berichte von Tibetern, die aus Nepal über die chinesische Grenze zurückgeschickt wurden, aber denen dann später die Flucht gelang, zeigen, daß nepalesische Grenzschützer oft recht gute Beziehungen zu ihren Kollegen auf der anderen Seite der Grenze haben und daß sie sich Kopfgelder verdienen können, wenn sie die tibetischen Flüchtlinge zurückschicken. Auf diese Weise deportierte Tibeter werden häufig von den chinesischen Behörden inhaftiert und können mehrere Wochen oder Monate in Haftanstalten oder Gefängnissen eingesperrt werden. Die Überschreitung der Landesgrenze ohne offizielle Papiere oder der Versuch dazu ist nach chinesischem Gesetz ein ernstes Vergehen. Schläge, Verhöre und andere Formen der Einschüchterung und Mißhandlung sind während der Gefangenschaft an der Tagesordnung.

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